RÜCKBLICK
2000:
Presse
Hut
ab, dass die Veranstalter sich für ein gewagtes Programm, fernab des (sonst
zwar ganz netten, aber irgendwie doch nur noch netten) Kabarett- und Kleinkunstgedöns
entschieden. Im kleinen und großen Saal wurde so absurd, witzig, ungehemmt,
grotesk und klangmalerisch geschauspielert, getanzt und gejazzt, dass es nur
so eine art hatte. Allein was fehlte, war der entsprechende Publikumsandrang.
Der
Eröffnungstag mit der Poetry/ Jazz Fusion "PO'AZZ YO'AZZ" – in bester Beat
Lyrik Tradition: Martha Cinader/Poesie & vocals und das Jazz + Jandl- Projekt
mit Dietmar Mues und CERCLE – very very unterhaltsam - wurde gerade mal von
jeweils 100 Zuschauern bestaunt und bejubelt.
Was war los in Trier? Hat Guildo Horn zum x-ten Mal im Eurener Festzelt gespielt?
Wurde im Stadttheater die Neufassung von Räuber Hotzenplotz gegeben? Oder
lag es an der Tufa herself, dass mit der Strategie "Plakate und ein bisschen
was im TV" haarscharf am Zeitgeist vorbei und frei nach dem Motto "Irgendwie
geht die Kirsche schon ins Tor" geworben wurde? Sei's drum. Wer nicht da war,
dem kann jetzt auch nicht mehr geholfen werden.
Fazit: wenn du nicht da warst, hast du was verpasst.
Insgesamt gesehen war es ein bemerkenswert innovatives, qualitativ eindrucksvoll
besetztes Festival, an der sich zukünftige Veranstaltungen sicherlich nur
schwer werden messen können.
Mein persönliches Highlight fand am frühen Sonntagnachmittag statt: "Pata
Blue Chip". Die von Reinhold Knieps präsentierten Videosequenzen sagten mir
zwar rein gar nix, aber was Norbert Stein und Christoph Hillmann an Saxophon
bzw. Percussion und mit digitalen Soundcollagen boten, kratzte eindrucksvoll
und nachhaltig an meiner Grosshirnrinde. Schlecht geschätzte Zuschauerzahl:
etwa 12 – 20 Männeken.
Die zwei Festival- Tage kosteten übrigens insgesamt 45,- bzw. 30,- DM ermässigt.
Was ich damit sagen will: ich fand Iggy Pop und AC/DC ja auch o.k., aber da
musste ich 70 Mark und mehr bezahlen, nach Köln fahren und nach 2 Stunden
war alles vorbei...
Den Abschluss des Festivals markierte Yumiko Yoshiaka, die mit akrobatischem
Tanz inmitten einer aufgeblasenen, die Bühne des grossen Tufasaals vereinnahmenden,
Kunststoffwohnwelt die Verlorenheit des modernen aufrechtgehenden Säugetiers
auf die Bretter legte. Mit begeistertem Applaus wurden die Künstlerin und
mit ihr das Festival verabschiedet.
Das Restetrinken im 2. Stock der Tufa fand dann nur noch mäßigen Zuspruch.
Genausowenig wie die auf dem gleichen Stockwerk gelegene "Hörbar", wo man
allen erdenklichen Hörspielen lauschen konnte. Vielleicht war ja auch einfach
alles
„a touch to much“. Zwei Tage Konzerte, Video, Hörspiele, Rauchen, auf's Klo
gehen und im Internet konnte man auch noch surfen und Bilder gucken und wasweißichnoch.
Na und?! An dieser Stelle nochmals Applaus für zwei bewusstseinserweiternde
Tage in Richtung Tufa und Hr. Scheib und Fr. Bihler (Liquid Penguin), die
das ganze organisierten. Mehr von sowas! Oder wie sagte es Jürgen Grabbe doch
in seiner von Sektglasgeklimper umrahmten Laudatio so überaus treffend und
zugleich hoffnungsfroh: „Die Tufa ist ein modellhaftes Modell.“ Hatten sich
die Kabarettisten doch noch eingeschlichen...
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Kratzen an der Großhirnrinde
Ein außergewöhnliches und extrem gut besetztes Theater- und Musikfestival
gönnte sich die Tuchfabrik zum 15-jährigen Bestehen.
von Uwe
Reinhard
Die
Kinderschuhe abgestreift
Die Tuchfabrik feierte im Jahr 2000 ihren 15jährigen Geburtstag
mit einem Festival der besonderen Art. Im Rahmen der Veranstaltung hatte hunderttausend.de
die Gelegenheit, Tufa-Chef Roman Schleimer einige Fragen zu stellen.
von
Arne Langner
Waren
Sie mit "Opening Festival" zufrieden?
Ja, sehr zufrieden – nachdem wir am Anfang ein bisschen Bauchweh hatten wegen
des schleppenden Vorverkaufs. Es ist mal etwas Neues für Trier, mit Sicherheit
auch ein ganz anderes Publikum als wir es üblicherweise in den letzten Monaten
hier hatten. Wir sind auch deshalb sehr zufrieden, weil wir hier viele viele
interessierte Musiker in den Publikumsreihen gesehen haben.
Die Tufa wird 15 Jahre alt – was ist der größte Unterschied zwischen damals
und heute?
Der größte Unterschied ist wohl die Tatsache, dass wir die Kinderschuhe abgestreift
haben und jetzt davorstehen, uns zu entscheiden, wie es weitergeht. Wir sind
räumlich am Ende der Fahnenstange angelangt – die Nachfrage ist riesengroß,
die können wir schon gar nicht mehr befriedigen. Wir können auch zeitgemäßere
Angebote nicht mehr machen, da wir Probleme mit der Einrichtung in den Räumen
haben. Im großen Saal und im Ballettsaal sind die Sichtverhältnisse einfach
so, dass wir vieles nicht zeigen können.
Also wird es in Zukunft auch bauliche Veränderungen in der Tuchfabrik geben?
Wir hoffen es. Wir sind gerade in Gesprächen und hoffen, dass wir es schaffen
- trotz der angespannten Finanzlage der Stadt – da Bewegung zu bekommen. Eine
positive Zusage der Kulturstiftung des Landes Rheinland-Pfalz, die die Infrastruktur
zahlen will, haben wir schon. Aber die Finanzlage der Stadt ist bekanntermaßen
schlecht, wir hoffen das Beste.
Das Programm beim Opening Festival war sehr experimentell, auch für die
Tufa ungewöhnlich. Wird es so was in Zukunft wieder geben?
Das ist in dieser Form nur möglich, wenn die finanzielle Unterstützung auch
in dieser Form kommt. Da haben wir von der Kulturstiftung des Landes, von
der Sparkasse und auch von der Stadt Trier immer Untersützung. Aber dieses
Programm ist eben ein Zuschussprogramm. Wir müssen in der Tufa immer diesen
Spagat wagen zwischen kommerziellen und experimentellen Veranstaltungen, die
bisher nur wenig Publikum ziehen.
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Interview
mit Roman Schleimer
(Geschäftsführer der TUFA)
Trierischer Volksfreund,
11.12.'00
Neuland für die Zukunft
Video- oder
Internetkunst: Tufa zeigt sich zur 15-Jahr-Feier progressiv
von unserem Mitarbeiter ARNE LANGNER TRIER.
Die Tuchfabrik hat Geburtstag - das Jubiläum ist auch gleichzeitig ein Blick in die Zukunft. Mit dem Opening Festival werden erste Akzente in Richtung Video- und Internetkunst gesetzt.
Die
Tufa feierte ihren Geburtstag mit Veranstaltungen rund um Musik, Performance,
Tanz Sprache und Medien. Der Saal ist dunkel, nur schwache Beleuchtung setzt
die Künstlerin dezent in Szene: Martha Cinader steht auf der Bühne und denkt
laut über das leben nach. Dabei wird sie nur von einem Schlagzeug und einem
Bass unterstützt. "Living it" heißt eines ihrer Stücke und genau das tut sie
auch: Sie lebt ihr Leben - rappt es in die Welt, säuselt es süß, um gleich
darauf wieder mit tiefer Stimme von den vielen Gründen fürs rauchen zu erzählen.
Sie kommt aus New York, lebt in Kalifornien und, hin und wieder, im Cyberspace.
Wie das geht? Ihre Auftritte werden live ins Internet übertragen. Multimediale
Möglichkeiten auszuschöpfen ist einer der Schwerpunkte des Opening Festivals
in der Tufa.
"Es
ist etwas neues für Trier. Aber wir sind sehr zufrieden damit, da wir auch
viele Musiker hier in den Publikumsreihen gesehen haben", erzählt Roman Schleimer,
der Geschäftsführer der Tuchfabrik. Ganz ohne Multimedia kommt die jazzbetonte
Jandl-Lesung aus. mit Dieter Glawischnig am Klavier berichtet Dietmar Mues
als Sprecher der Jandl-Texte "Aus der Kürze des Lebens". Eine wortakrobatische
Attacke, eingebettet in Jazzklänge, die nicht weniger experimentell sind als
die Texte des deutschen Lyrikers. Lautgedichte werden bravourös unterstützt
von einer Band (Klavier, Violine und Schlagzeug). "Wenn wir solche Veranstaltungen
weiterführen, müssen wir den Spagat wagen zwischen kommerziellen und experimentellen
Darbietungen, die erfahrungsgemäß weniger Publikum anziehen", meinet Schleimer
im Hinblick auf das künftige Tufa-Angebot. "So ein Programm ist immer ein
Zuschußgeschäft." Die Tufa wird finanziell von der Stadt Trier und dem Land
Rheinland-Pfalz gefördert. Zusammen mit seinen 22 Mitgliedsvereinen stellt
der Dachverband sein Programm selbst auf die Beine.
Mit
einer ungewöhnlichen Performance zelebrierte die Butoh-Tänzerin Yumiko Yoshioka
das Ende des Festivals: Im Inneren eines aufblasbaren Kunststoffsystems fügt
sie sich fest ein und wird symbolisch zum Herzstück einer Maschine - die Grenzen
zwischen Mensch und unbelebtem Objekt verschwimmen dabei.