RÜCKBLICK
2001:
Presse
Hut
ab, dass die Veranstalter sich für ein gewagtes Programm, fernab des (sonst
zwar ganz netten, aber irgendwie doch nur noch netten) Kabarett- und Kleinkunstgedöns
entschieden. Im kleinen und großen Saal wurde so absurd, witzig, ungehemmt,
grotesk und klangmalerisch geschauspielert, getanzt und gejazzt, dass es nur
so eine art hatte. Allein was fehlte, war der entsprechende Publikumsandrang.
Der
Eröffnungstag mit der Poetry/ Jazz Fusion "PO'AZZ YO'AZZ" – in bester Beat
Lyrik Tradition: Martha Cinader/Poesie & vocals und das Jazz + Jandl- Projekt
mit Dietmar Mues und CERCLE – very very unterhaltsam - wurde gerade mal von
jeweils 100 Zuschauern bestaunt und bejubelt.
Was war los in Trier? Hat Guildo Horn zum x-ten Mal im Eurener Festzelt gespielt?
Wurde im Stadttheater die Neufassung von Räuber Hotzenplotz gegeben? Oder
lag es an der Tufa herself, dass mit der Strategie "Plakate und ein bisschen
was im TV" haarscharf am Zeitgeist vorbei und frei nach dem Motto "Irgendwie
geht die Kirsche schon ins Tor" geworben wurde? Sei's drum. Wer nicht da war,
dem kann jetzt auch nicht mehr geholfen werden.
Fazit: wenn du nicht da warst, hast du was verpasst.
Insgesamt gesehen war es ein bemerkenswert innovatives, qualitativ eindrucksvoll
besetztes Festival, an der sich zukünftige Veranstaltungen sicherlich nur
schwer werden messen können.
Mein persönliches Highlight fand am frühen Sonntagnachmittag statt: "Pata
Blue Chip". Die von Reinhold Knieps präsentierten Videosequenzen sagten mir
zwar rein gar nix, aber was Norbert Stein und Christoph Hillmann an Saxophon
bzw. Percussion und mit digitalen Soundcollagen boten, kratzte eindrucksvoll
und nachhaltig an meiner Grosshirnrinde. Schlecht geschätzte Zuschauerzahl:
etwa 12 – 20 Männeken.
Die zwei Festival- Tage kosteten übrigens insgesamt 45,- bzw. 30,- DM ermässigt.
Was ich damit sagen will: ich fand Iggy Pop und AC/DC ja auch o.k., aber da
musste ich 70 Mark und mehr bezahlen, nach Köln fahren und nach 2 Stunden
war alles vorbei...
Den Abschluss des Festivals markierte Yumiko Yoshiaka, die mit akrobatischem
Tanz inmitten einer aufgeblasenen, die Bühne des grossen Tufasaals vereinnahmenden,
Kunststoffwohnwelt die Verlorenheit des modernen aufrechtgehenden Säugetiers
auf die Bretter legte. Mit begeistertem Applaus wurden die Künstlerin und
mit ihr das Festival verabschiedet.
Das Restetrinken im 2. Stock der Tufa fand dann nur noch mäßigen Zuspruch.
Genausowenig wie die auf dem gleichen Stockwerk gelegene "Hörbar", wo man
allen erdenklichen Hörspielen lauschen konnte. Vielleicht war ja auch einfach
alles
„a touch to much“. Zwei Tage Konzerte, Video, Hörspiele, Rauchen, auf's Klo
gehen und im Internet konnte man auch noch surfen und Bilder gucken und wasweißichnoch.
Na und?! An dieser Stelle nochmals Applaus für zwei bewusstseinserweiternde
Tage in Richtung Tufa und Hr. Scheib und Fr. Bihler (Liquid Penguin), die
das ganze organisierten. Mehr von sowas! Oder wie sagte es Jürgen Grabbe doch
in seiner von Sektglasgeklimper umrahmten Laudatio so überaus treffend und
zugleich hoffnungsfroh: „Die Tufa ist ein modellhaftes Modell.“ Hatten sich
die Kabarettisten doch noch eingeschlichen...
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Kratzen an der Großhirnrinde
Ein außergewöhnliches und extrem gut besetztes Theater- und Musikfestival
gönnte sich die Tuchfabrik zum 15-jährigen Bestehen.
von Uwe
Reinhard
Trierischer Volksfreund,
09.12.'01
Gute Resonanz beim zweiten Opening-Festival in der Tufa
Das zweite Opening Festival in der Tufa überzeugte mit einem außergewöhnlichen
Programm. Installationen, Sprache und Medien zählten zu den Ingredienzen des
kunstvollen Menüs. Die nächste Auflage des Festivals fürs kommende Jahr steht
bereits fest.
von
unserem Mitarbeiter ARNE LANGNER TRIER.
Die Festival-Organisatoren Stefan Scheib und Katharina Bihler haben Grund zur Freude. "Die Resonanz war dieses Jahr sehr erfreulich". Mehrere hundert Leute besuchten das viertägige Festival in der Tufa. Die Merz-Jazz Band "electronics & voice" versah den großen Saal mit einem höchst unterhaltsamen Schwitters-Gewitter. Die Texte des Merz-Künstlers und Wortakrobaten Kurt Schwitters bildeten das Spielfeld für das Berliner Trio. "Wir haben 1988 noch zu DDR-Zeiten in Ost-Berlin angefangen", erinnert sich Hans-Joachim Frank, der auf der Bühne mit beeindruckender Mimik und Gestik rezitiert. An der Posaune steuert Jörg Huke warme Töne zum Vortrag bei und Hannes Zerbe wechselt zwischen Flügel und Synthesizer: Auch hier spürt man merzliche Begeisterung für Schwitters. Das Merz-Gedicht "An Anna Blume", Buchstaben- und Zahlengedichte sind zu hören. Als roter Faden ziehen sich Teile der legendären Ursonate ("Fümms bö wö...") durch den Abend. Kichern oder Schmunzeln kommt besonders bei Schwitters-Sprüchen wie diesen aus den Publikumsreihen: "Meine süße Puppe, mir ist alles schnuppe, wenn ich meine Schnauze auf die Deine bautze". Dabei besticht die Vortragskunst des Schauspielers Hans-Joachim Frank immer aufs neue. Ungewöhnliche Sound-Poetry hatte VOXXX sich auf die Fahne geschrieben. Die Kölner Formation verwandelt Sprache in musikalische Klangbilder. Beispiel: Ein Psychogramm des Jazz-Trompeters Charlie Parker findet sich darunter – verfremdeter Text, elektronische Instrumente und computergesteuerter Sound formen das Hörerlebnis. Der Name ist dabei Programm: voice-voyage, zu deutsch Sprachreise. Auf eine solche nehmen VOXXX ihr Publikum mit, das wiederum Geduld und Wachsamkeit braucht, um Wollie Kaiser, Joker Nies und Ulla Oster folgen zu können. Ami Garmons Installations-Performance spielte mit altbekannten Sehnsüchten. Es geht ums Hin- und Hergerissensein zwischen behaglichem Leben und ungestillter Abenteuerlust, dem menschlichen Wunsch, dorthin zu reisen, wo alles unbekannt, aber dennoch vertraut ist. Das Darstellen von Orientierungslosigkeit, der immer mehr Menschen in der heutigen Gesellschaft ausgeliefert sind, ist dabei Teil ihrer Performance. Das Festival steht nächstes Jahr auf jeden Fall wieder auf dem Terminplan der Trierer Kulturszene. Scheib und Bihler sind fest entschlossen, das Fest zu etablieren.